Sinne, Dinge, Dokumente und Werke
Sinnlich-gegenständliche Erfahrungen fordern Kinder dazu heraus, ihre Erfahrungen festzuhalten, sie in vorzeigbare und besitzbare Werke zu überführen. Die entstehenden Bilder und Objekte sind Konstruktionen und keine Abbildungen. Die Ähnlichkeit zwischen realem und gemaltem/ gezeichnetem Gegenstand ist zunächst gering; gezeichnete Kreise können für einen Menschen wie für ein Fahrzeug stehen. Das Kind definiert das Zeichen und lädt es dadurch mit persönlicher Bedeutung auf. Es ärgert sich zunächst nicht, dass es einen Menschen noch nicht identifizierbar darstellen kann. In den geschaffenen Bildkonstruktionen stehen die individuell bedeutungsvollen Requisiten der Welt neben Wunsch- und Fantasievorstellungen.
Oft schubweise beginnt die Ausdifferenzierung des Zeichenrepertoires, wenn Kinder unzufrieden mit der Struktur ihrer Zeichnungen werden. Es kommt zur partiellen Neucodierung der Wirklichkeitskonstrukte. Dabei stoßen Kinder auf neue Möglichkeiten wie auf Widerstände, wenn sie mit noch unerprobten Materialien, Werkzeugen oder mit komplizierteren Themen umgehen.
Bilder werden von Kindern gedanklich, emotional und sinnlich geschaffen. Sie sind Ausdruck und Dokument ihrer Interessen und Fantasien. Sie sind zugleich ihre Werke, in denen Kinder im Sinne des von Erik Erikson beschriebenen "Werksinns" sich als Person und als Träger von Fähigkeiten ausdrücken (vgl. Erikson 1997, S. 105). Die Bilder sind darüber hinaus Medien, mit denen Kinder Erwachsenen und anderen Kindern etwas mitteilen wollen. Der mediale Aspekt ist oft so stark, dass Bilder nur für das Zeigen gestaltet werden oder als Geschenke konzipiert werden, die als Beziehungsbotschaften wirken sollen.
Die Bilder der Kinder erfahren in der Reggio-Pädagogik eine besondere Wertschätzung. Es wird fast nichts ins Altpapier gegeben. Dies fördert die Sorgfalt beim Erstellen der Bilder. Die meisten Bilder werden, thematisch und ästhetisch geordnet, an den Wänden ausgestellt, mit Fotos der Entstehungsprozesse und Kinderaussagen sowie Überschriften und Kurzkommentaren kommentiert und so zu "sprechenden Wänden" (Knauf u.a. 2007, S. 135).