Ziel eines fotojournalistischen ‘Stils des Humanen‘ ist es, Emotionen beim Betrachterhervorzurufen. Der Realitätsgrad, das spezifische Wirklichkeitsversprechen bemisstsich bei diesen Aufnahmen weniger an der Sachlichkeit und Distanziertheit derFotografien als an der Vermittlung von Echtheit, Unmittelbarkeit und Emotionalität. Hiereröffnet sich eine Unterscheidungsmöglichkeit dokumentarischer und authentisch wirkender Bilder. Der von Fotografien, die dem ‚Stil des Humanen‘ zuzuordnen sind, evozierte Realitätseindruck, entspricht nicht notwendig, aber oftmals eher dem Authentischen. Susanne Holschbach nennt den Begriff der „Realness“, womit sie den Eindruck authentischer Bilder bezeichnet, nahe am Geschehen zu sein. Die Vermittlung von Authentizität im Sinne von „Realness“ erfordert besondere Bildstrategien. Die von Pressefotografien eingeforderten Kriterien des ‚guten Bildes‘, die die technische Präzision der Aufnahmen voraussetzen, werden angesichts einer authentischen Bildsprache oftmals unterlaufen.Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass auf der Ebene der bildnerischen Umsetzung derAnspruch auf Lesbarkeit seine Entsprechung im starken Bezug journalistischer fotografieauf die handwerkliche Perfektion der Aufnahme findet. Die auf technische Präzisiongründende Vorstellung vom ‚guten Bild‘, das als ein entscheidender Topos unter den amBildprozess der Medien Beteiligten kursiert, bezieht sich auf Kategorien wie die Abbildung von Subjekten und des für die Aussage Wesentlichen im Zentrum des Bildes sowie die Forderung, dass Inhalte eindeutig erkennbar und lesbar sein sollen. Der Anspruch an eine ‚gute‘ Pressefotografie fordert die Einhaltung bestimmter formaler Kriterien wie eines geraden Horizonts oder der Bild- und Tiefenschärfe.304 Nach Sandra Abend tragen sogenannte ‚gute‘ Reportagefotos dazu bei, dass ein Ereignis überhaupt wahrgenommen wird. Nichtsdestotrotz sind die Vorstellungen von einer ‚guten‘ Pressefotografie zeitlichen Veränderungen und Trends unterworfen.Im Gegensatz zu den Ansprüchen an ‚gute‘ Bilder sucht eine auf die Vermittlungvon „Realness“ zielende Pressefotografie häufig gerade den gegenteiligen Effekt.Sie bedient sich formaler Mittel wie der Bewegungsunschärfe, starker Bildanschnitte undaus dem Bildzentrum gerückter Bildmotive, um zum Ausdruck zu bringen, dass das Bildschwer zugänglich war oder eher zufällig realisiert werden konnte. Auch die Position desFotografen als Zeuge des Gesehenen, der Erfahrungen aus erster Hand zu vermittelnsucht, verändert sich angesichts solcher Bildmuster, da die Gegenwart eines Zeugen immer in Gefahr steht, die Situation zu verändern. Daher muss sich der Fotograf als Beobachter in diesen Zusammenhängen eher unsichtbar machen. Bilder von Amateuren oder Überwachungskameras erhalten im Kontext einer auf Unmittelbarkeit und Authentizität gerichteten fotografischen Bildnahme besondere Bedeutung.
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